Ein Beitrag von Jadranka Pfautsch, NOW GmbH

Wasserstoff (H2) und Brennstoffzellen (BZ) sollen in China zunächst vorrangig im Mobilitätssektor eingesetzt werden. Entsprechend stark ist das chinesische Bestreben, Regulierungen und Normen in diesem Bereich auszubauen. Ähnlich wie Verordnungen und Gesetze, die im Hintergrund die Interaktion zwischen Endanwender, Industrie und Staat regeln, so standardisieren Normen Technologien in Bezug auf Qualität, Schnittstellen und Nachhaltigkeit. Durch diese Regelungen wird nicht nur die Kompatibilität von Technologie sichergestellt, sondern auch die Umsetzung der effizientesten und geeignetsten Technologie – was wiederum dazu führt, dass die gewünschte Serienproduktion von neuen Technologien ressourcensparend und dadurch nachhaltig gelingt. „Wer die Norm hat, hat den Markt“, so hat es bereits Dietmar Harting, ehemaliger Präsident verschiedener Normungsorganisationen, schlüssig auf den Punkt gebracht.

Diese wichtige Eigenschaft der Normung hat die Volksrepublik China bereits sehr früh erkannt. Das Land bietet seit geraumer Zeit spezielle Studiengänge im Bereich Standardisierung und Normung an. Welchen strategischen Effekt dies hat, kann man gut an der aktuellen 5G-Technologie erkennen. Außerdem wächst die Rolle chinesischer Expertinnen und Experten in weiteren internationalen Fachgremien.. Die Volksrepublik China ist der größte Absatzmarkt für deutsche Automobilhersteller – und die Grundlage für diesen Marktzugang muss über eine einheitliche Normung der Produkte sichergestellt werden.

In Europa und Deutschland liegen Expertise und Entwicklung von Normen in der Verantwortung der Industrie. Doch diese Fleißarbeit erfährt leider nicht genügend Beachtung in Bezug auf die strategisch-politische Relevanz für die zukünftigen Wirtschaftsverhältnisse.

Entwicklung von Wasserstoff und Brennstoffzellen-Fahrzeuge (FCEV) in der Strategieplanung Chinas

Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV) zählen zu den New Energy Vehicles (NEV), für die es in China verpflichtende Produktionsquoten gibt. Im September 2020 hat die chinesische Regierung ihr neues Förderprogramm für FCEVs veröffentlicht, welches auch als Basis für den Aufbau einer umfassenden H2/BZ-Wertschöpfungskette dienen soll.

Um diesen Aufbau zu gewährleisten, wird es eine Vielzahl von neuen und überarbeiteten Normen zur Sicherung der Wasserstofftechnologien geben. Ziel ist es, Regelungslücken zu schließen und den landesweiten Markthochlauf zu ermöglichen. Auch in China wird Wasserstoff aus erneuerbaren Energien erzeugt, die Nutzung grünen Wasserstoffs in der Industrie wird schon jetzt adressiert.

Neue Anwendungsfelder bringen neuen Regelungsbedarf. China verfolgt eine ehrgeizige Internationalisierungsstrategie. Das Land ist in vielen wichtigen internationalen H2/BZ-spezifischen Normungs- und Regelwerksgremien vertreten und gewinnt, mittels der „One Belt, One Road“-Initiative und des verstärkten Engagements im pazifischen Raum, u. a. durch das asiatisch-pazifische Freihandelsabkommen „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP), wesentlich an Einfluss.

Die Bemühungen deutscher Akteure zur internationalen Harmonisierung auf dem Gebiet der Wasserstoffnormung sollten daher, insbesondere mit Blick auf China, verstärkt werden, um den dortigen Marktzugang für deutsche Technologien weiterhin zu sichern.

Regelwerke und Normen in China

Das chinesische Rechtssystem basiert im Grundsatz auf der kontinentaleuropäischen Rechtsordnung vom Beginn des 20. Jahrhunderts, wird kontinuierlich weiterentwickelt und enthält zunehmend Elemente des anglo-amerikanischen Rechtskreises. Die Größe des Landes und die komplexe Struktur der Gesetzgebung, aber auch der Wunsch nach einer raschen Einführung neuer Gesetze, bringen mit sich, dass viele Gesetzestexte relativ allgemein gehalten und als Richtlinien anzusehen sind.

Konkrete Bestimmungen finden sich – im Gegensatz zur deutschen Gesetzgebung – in nationalen Normen sowie in Verordnungen oder Anordnungen. Das Normensystem in China unterscheidet sich insofern vom bekannten europäischen und deutschen System, als dass es vielfach auf gesetzlich verbindliche nationale Normen (GB) setzt – zusätzlich zu empfohlenen nationalen Normen (GB/T) und technischen Spezifikationen (GB/Z). Darüber hinaus gibt es Industrie- bzw. Gruppennormen, die nicht verpflichtend sind sowie regional bzw. lokal entwickelte Normen, die auf nationaler Ebene keine Gültigkeit erlangen. Diese können jedoch als wichtige Grundlage zur Entwicklung von nationalen Normen herangezogen werden, wenn solche noch nicht vorliegen.

 

Topologie des chinesischen Normensystems, Quelle: NOW GmbH

 

Chinas Normenlandschaft zu Wasserstoff in der Mobilität

Normen zu Wasserstoff-Brennstoffzellenmobilität werden in der chinesischen Systematik grob unterteilt nach Elektrofahrzeugen, Wasserstoffinfrastruktur, Speicher und Brennstoffzellen. Verschiedene Organisationen sind für die jeweiligen technischen Normungsgremien verantwortlich, die disziplinarisch jeweils unterschiedlichen Behörden zugeordnet sind. Dabei stellt die Standardization Administration of China (SAC) ein Bindeglied zwischen allen Gremien dar. Das SAC ist ermächtigt, für die Normung in China die administrativen Funktionen auszuüben und die zentrale Verwaltung durchzuführen.

Mit der Zunahme von Erneuerbare-Energie-Anlagen (EE-Anlagen) und des Wasserstoffbedarfs im Verkehrssektor ist von einer steigenden Bedeutung von grüner Wasserstofferzeugung auszugehen. Mit ihr werden weitere Fragen und Aspekte der Zertifizierung und Harmonisierung wie zum Beispiel zur Ausstellung von und dem Handel mit Herkunftsnachweisen auftauchen. Neben den Power-to-Gas-Anlagen betrifft dies auch Regelungen für Wasserstoffleitungen mit mehreren Einspeisern, die für den Transport großer Mengen von Wasserstoff über große Distanzen zu betrachten sind.

Herausforderungen für KMU

Zentrale Herausforderungen für kleine bis mittelständische Unternehmen (KMU) aus dem Ausland stellen unter anderem die Vielzahl der Normen dar, die mangelnde Transparenz bezüglich Relevanz und Umsetzbarkeit von Anforderungen sowie der Zugang zu Informationen oder zur Mitwirkung in Normungsgremien. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Klärung von Detailfragen aktuell eine direkte Abstimmung mit den technischen Ansprechpartnern in den konkreten chinesischen Arbeitsgruppen erfordert. Darüber hinaus gibt es bezüglich der Anforderungen an Brennstoffzellen, Tanks, druckführende Komponenten, Wartungsvorgänge bzw. Schnittstellen bei der Integration in FCEV verschiedene Aspekte, die scheinbar noch nicht ausreichend detailliert oder widersprüchlich geregelt sind. Eine stringente und klare Normung gewinnt mit zunehmendem Markthochlauf und wachsendem Wettbewerb weiter an Bedeutung.

 

Organisation der Normung im Bereich der Wasserstoff-Brennstoffzellenmobilität in China, Quelle: China National Institute of Standardization, NOW GmbH

 

Fahrzeugnormen:
Formal ist das chinesische Ministry of Industry and Information Technology (MIIT) für die Normung innerhalb der Automobilindustrie verantwortlich. Unter der Führung des MIIT arbeitet das National Technical Committee of Auto Standardization (NTCAS), das auch die Bezeichnung des Normungsgremiums SAC/TC114 trägt. Seine Aufgabe ist es, Normen zu erstellen und weiterzuentwickeln, die für die NEV einschließlich FCEV sowie für relevante Teile und Komponenten gelten.

Das NTCAS wurde 1988 gegründet und verfügt über 30 technische Unterausschüsse. Als nationale Organisation der Normung von Straßenfahrzeugen vertritt NTCAS China in den korrespondierenden internationalen Gremien ISO/TC22, IEC/TC69 und UNECE WP29. Ihr Sekretariat ist Teil des China Automotive Technology and Research Center (CATARC).

Ein Unterausschuss für Elektrofahrzeuge des NTCAS mit der Bezeichnung SAC/TC114/SC27 ist für die Entwicklung von Normen für Elektrofahrzeuge einschließlich FCEV und der entsprechenden Roadmap zuständig. Für die Typprüfung und -zulassung eines FCEV stellt international die GTR13-UNECE WP29 (ECE/TRANS/180/Add.13 + Appendix 1) die rechtliche Basis nach dem 1998er Abkommen der Vereinten Nationen dar.

Dieses Regelwerk wird zurzeit zur GTR13-II weiterentwickelt. Es deutet sich an, dass die entsprechende chinesische GB-Norm, die sich in Entwicklung befindet, das Abkommen vollumfänglich abbilden wird. Außerdem werden Zusatzanforderungen hinzukommen, falls diese nicht in die GTR13-II aufgenommen werden können. Ein nach dieser GB-Norm in China entwickeltes und geprüftes Fahrzeug wäre demnach für den Weltmarkt kompatibel, aber umgekehrt gegebenenfalls nicht alle nach GTR13-II homologierten Fahrzeuge für den chinesischen Markt.

Brennstoffzellennormen:
Für die Auslegung, Prüfung und Abnahme von Brennstoffzellenkomponenten gibt es bereits relevante, teilweise sogar überlappende nationale Normen (z.B. GB/T 33978-2017 PEMFC Module für Straßenfahrzeuge und GB/T 36288 Sicherheitsanforderungen für den BZ-Stack). Für die Erstellung der vorgenannten Normen ist SAC/TC342, das Technische Komitee für nationale Normung von Brennstoffzellen und Durchflussbatterien zuständig. Für ein integriertes Brennstoffzellensystem gibt es jedoch noch keine einheitlichen Normen bezüglich einer Vielzahl von Aspekten. Eine Norm für die erforderliche Wasserstoffqualität zur Nutzung in einem FCEV liegt als GB/T 37244 seit 2018 vor. Diese gibt strenge Grenzwerte für einige Parameter vor, um Brennstoffzellen vor irreversiblen Schäden zu schützen. Die Grenzwerte in dieser GB/T sind im Wesentlichen mit den Grenzwerten der ISO/14687:2019 identisch.

Hochdruckspeicher:
Das National Standardization Technical Committee of Gas Cylinders (SAC/TC 31) und der entsprechende Unterausschuss Subcommittee on High Pressure Vehicle Fuel Tank SAC/TC 31/SC8 kümmern sich um die Normung von Hochdruckspeichern und Tanks, wie sie z. B. auch zur Speicherung von Wasserstoff in Fahrzeugen zum Einsatz kommen. China verfügt derzeit noch nicht über eine national verbindliche Norm für Tanks, die aus einem mit Kohlenstofffasern umwickelten Kunststoffliner bestehen. Diese sogenannten Typ IV-Tanks sind für höhere Drücke und damit für die kompakteren Pkw-Anwendungen sowie für Busse und Lkw höherer Reichweiten besser geeignet.

In China können nach dem aktuell geltenden Regelwerk nur Tanks des Typs III in Fahrzeugen verbaut werden, doch die Verwendung von Typ IV-Tanks wird auch von chinesischen Automobilherstellern angestrebt. Aus diesem Grund hatte SAC/TC31/SC8 als ersten Schritt Mitte 2020 zur öffentlichen Stellungnahme zu der Gruppennorm T / CATSI 02 007-2020 eingeladen. Diese sicherheitsrelevante Gruppennorm legt die Typen, die Parameter, die technischen Anforderungen, die Prüfmethoden, die Inspektionsregeln, den Installationsschutz, die Beschilderung, die Verpackung, den Transport sowie die Lagerung von Typ IV-Tanks für Fahrzeuge fest und ist für die gesamte Betriebsdauer eines Fahrzeugs von Bedeutung. Diese Gruppennorm wurde im Oktober 2020 implementiert und kann damit von Tankherstellern für die Abnahme von Typ IV-Tanks in China genutzt werden, ohne national verbindlich zu sein. Sie ist jedoch ein Schritt in Richtung einer national verbindlichen GB-Norm sowie eine wichtige Voraussetzung für die Marktfähigkeit von Brennstoffzellen-Pkw in China und könnte auch die internationalen Entwicklungen beeinflussen.

Wasserstoffinfrastruktur:
Das National Standardization Technical Committee of Hydrogen Energy ist eine landesweite Normungsinstitution, die sich um die Normung von Infrastrukturkomponenten kümmert wie sie z.B. in Wasserstofftankstellen und Wasserstofferzeugungs- und -handhabungsanlagen eingesetzt werden.

Systematik der Wasserstoffnormen aus Infrastrukturperspektive in China:
Die Umsetzung von normativen Anforderungen an die Infrastruktur in China erfolgt jedoch nicht nur anhand landesweit gültiger GB- und GB/T-Normen. Es werden zusätzliche, für Infrastrukturen anwendbare, lokale Anforderungen gestellt bzw. festgelegt. Hierzu gehören beispielsweise lokale Genehmigungs- und Abnahmeverfahren für Wasserstofftankstellen. Im Vergleich dazu gibt es in Deutschland, neben den durch das Arbeitsschutz- und das Umweltrecht geforderten Genehmigungen den von der Industrieinitiative Clean Energy Partnership entwickelten, harmonisierten Abnahmeprozess für Wasserstofftankstellen. Um Wasserstoffmobilität lokal zu ermöglichen, sind einzelne Vorreiterstädte und -regionen in China wie z. B. die Städte Wuhan, Foshan, Shanghai, Rugao und Dalian bereits seit einigen Jahren in unterschiedlicher Weise aktiv geworden und haben zur Errichtung von Wasserstofftankstellen jeweils eigene Anforderungen entwickelt und vorgegeben, für die nun ein Weg zur Integration in entstehende Normen und Regelwerke gefunden werden muss. Das Ministry of Housing and Urban-Rural Development (MOHURD) veröffentlichte im Juni 2020 die Entwurfsfassung einer nationalen Norm, die grundlegende Definitionen und Vorschriften für den Bau und Betrieb von Wasserstofftankstellen enthält.

Betankungsprotokoll:
In China existiert eine erste Gruppennorm, die auch allgemeine Anforderungen an ein H2-Betankungsprotokoll enthält: T/CECE-G 0018-2018 „Kraftstoffspezifikation für H2-Brennstoffzellenfahrzeuge Teil 1: Allgemeine Anforderungen“.