Seit 31. Oktober 2019 verkehren auf der Linie 695 in Solingen vier batteriebetriebene Oberleitungsbusse (BOB) im regulären Einsatz. Die Verbindung zwischen Meigen und Gräfrath ist die erste BOB-Linie in Solingen. Auf dieser stark frequentierten Pilotlinie muss der BOB nun im Alltagseinsatz zeigen, dass er eine echte Alternative für Dieselbusse ist.
Um dies in einem auf insgesamt fünf Jahre angesetztem Projekt zu untersuchen, wird das BOB Projekt mit rund 15 Millionen Euro vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung (MKS) unterstützt.
Mit integrierter Batterie zu mehr Flexibilität
In Solingen verkehren bereits seit den 1950er Jahren Oberleitungsbusse. Die Fahrzeuge werden von Elektromotoren angetrieben und beziehen ihren Strom aus einem Fahrdraht. Um kurze Strecken auch ohne Oberleitung fahren zu können, sind die meisten Busse mit einem Dieselgenerator ausgestattet. Durch die zunehmende Feinstaubbelastung in den Städten, werden elektrische Antriebskonzepte immer wichtiger.
In einem ersten Schritt ist die Umstellung der Dieselbus-Linie 695 erfolgt, wonach der Modellversuch mittelfristig auf 20 Batterie-Oberleitungs-Busse ausgeweitet werden soll, die in Solingen eingesetzt werden. Bei erfolgreicher Durchführung soll sukzessive die gesamte städtische Busflotte umgestellt werden. Die Besonderheit der elektrischen Fahrzeuge liegt darin, dass sie sowohl über eine Batterie als auch über moderne Steuerungstechnik verfügen. Dadurch können sie einerseits während des Fahrens am Draht geladen werden (In-Motion-Charging), andererseits aber auch Streckenabschnitte abdecken, die nicht mit einem Fahrdraht ausgestattet sind. Die Busse bieten noch weitere Vorteile: Die Batterien helfen dabei, Fluktuationen durch Strom aus erneuerbaren Energiequellen auszubalancieren. Die gesamte Oberleitungsinfrastruktur soll in Zukunft eng mit dem städtischen Stromverteilnetz verknüpft werden.
Schrittweise zu einem nachhaltigen, städtischen Gesamtsystem
Bisher fließt Strom lediglich aus dem Stromverteilnetz in das Oberleitungsnetz. Zukünftig soll aber auch der Stromfluss vom Oberleitungsnetz ins das Stromverteilnetz möglich sein. Spannend wird dies deshalb, weil im Rahmen des Projektes Photovoltaik-Anlagen direkt an das Oberleitungsnetz angeschlossen werden. Da dieses mit Gleichstrom betrieben wird, werden Wandlungsverluste durch das direkte Einspeisen des Solarstroms vermieden. Perspektivisch wird dann nur noch lokal erzeugter Ökostrom im Solinger Nahverkehr verwendet. Das Projekt nutzt außerdem die alten Batterien der Busse, um das Oberleitungsnetz zu stabilisieren. Durch ein intelligentes Lade- und Energiemanagement können Stromlast- oder Ökostromproduktionsspitzen sowohl im Oberleitungs- wie auch Stromverteilnetz abgefangen und somit die Integration fluktuierender erneuerbarer Energiequellen generell verbessert werden. Weiterhin planen die Verantwortlichen Ladesäulen für Privathaushalte an das Oberleitungsnetz anzuschließen.
In einem ganzheitlichen Projektansatz werden in Solingen Mobilitäts-, Energieversorgungs- und Stadtentwicklungsfragen nicht getrennt voneinander, sondern integriert als transdisziplinäres, städtisches Gesamtsystem betrachtet. Erforscht werden Maßnahmen, mit denen Synergieeffekte erschlossen und Konfliktpotenziale zwischen den Sektoren Verkehr und Energie vermieden werden können. Konkret geht es um die Sektorkopplung zwischen Mobilitäts- und Energiemärkten, für die neuartige Geschäftsmodelle für Verkehrsbetriebe, Energieversorger, Netzbetreiber und weitere Dienstleister entwickelt, Changemanagement-Prozesse identifiziert und Analysen über Wirkungszusammenhänge aufgezeigt werden müssen. Mit dieser sektorenübergreifenden Vernetzung zeigt das Projekt Chancen und Möglichkeiten auf, wie ein elektrifizierter Nahverkehr einen wichtigen Beitrag zur Lösung der großen Herausforderungen der Verkehrs- und Energiewende auf kommunaler Ebene leistet.