Im Projekt AutoStack Industrie arbeiten fünf OEMs und diverse Zulieferer zusammen, um die Schlüsseltechnologien bei der Herstellung von Stacks, den Kernkomponenten von Brennstoffzellenfahrzeugen, zur Industrialisierungsreife zu bringen. Im bis Ende 2021 laufenden Vorhaben steht die Vorbereitung entsprechender Hochgeschwindigkeitsprozesse im Vordergrund. Die Herausforderungen sind groß, aber die ersten Ergebnisse können sich sehen lassen.

Der Antriebstrang eines Brennstoffzellen(BZ)-Fahrzeugs umfasst neben der BZ-Einheit, eine Batterie zur Kompensation der Systemreaktionszeit und zur Erhöhung des Wirkungsgrads bei Beschleunigung des Fahrzeuges, einen Elektromotor, ein Getriebe sowie einen Wasserstofftank. Dabei sind Komplexität und Teileanzahl des BZ-Systems im Montageaufwand ähnlich denen eines Verbrennungsmotors. Zentrale Komponente ist der BZ-Stapel oder Stack. Dieser unterscheidet sich jedoch verfahrenstechnisch deutlich von der Montage eines Grundmotors. Allein der Stack besteht je nach Leistung aus bis zu 400 Einzelteilpaarungen (Zellen) plus Montageteilen, Endplatten und System-Schnittstellen. Hinzu kommt die Systemtechnik für den Betrieb des Stacks im Fahrzeug. „Im Vergleich zum batterieelektrischen Fahrzeug sind insgesamt deutlich mehr Komponenten an Bord, denn die ‚Ladesäule‘ ist quasi im Fahrzeug integriert, da die elektrische Energie nach Bedarf während der Fahrt erzeugt wird“, sagt André Martin.

Der Inhaber des gleichnamigen Beratungsunternehmens koordiniert mit Ludwig Jörissen vom Ulmer-Forschungsinstitut ZSW das Projekt AutoStack Industrie. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) mit 30 Mio. Euro, koordiniert von der NOW GmbH. Damit sollen die Schlüsseltechnologien der Stack-Herstellung zur Industrialisierungsreife gebracht werden. Beteiligt sind neben dem ZSW die vier OEMs BMW, Daimler, Ford und Volkswagen sowie diverse Zulieferer (siehe Infokasten). Neu hinzugestoßen ist kürzlich Audi, als die im Volkswagen-Konzern für die BZ-Entwicklung zuständige Marke.

Das 2017 gestartete und bis Ende 2021 laufende Projekt verfolgt drei ambitionierte Hauptziele:

  • Automobile Hochleistungstechnologie: höchste Leistungsdichte inklusive geringer Platin-Beladung, vollständige Produktreife, Erreichen der automobilen Zielkosten
  • Nutzen industrieller Skaleneffekte: gemeinsame BZ-Spezifikation und Systemschnittstellen, skalierbare BZ-Leistung, gemeinsame Technologieplattform
  • Massenfertigungsfähigkeit: Auswahl und Bewertung kritischer Verfahren, Erreichen der automobilen Qualitätsanforderungen, Fabrikplanung für 10000 und 30000 Stacks pro Jahr.

Von den Vorgängerprojekten profitieren

Dabei profitiert man von den Erkenntnissen der Vorgängerprojekte AutoStack (2009-2012, EU-Projekt, Machbarkeitsstudie) und AutoStack Core (2012-2017, EU-Projekt, technologischer Konzeptnachweis). Im nationalen Projekt AutoStack Industrie steht die Industrialisierung im Vordergrund. „Mit ausreichendem Zeitvorlauf wird es so möglich, sich auf eine Produktion von großen Fahrzeugstückzahlen durch Entwicklung und Erprobung industrialisierungsreifer Hochgeschwindigkeitsprozesse für die Stack-Fertigung vorzubereiten und künftige Marktanforderungen phasenadäquat bedienen zu können“, erläutert Martin. Konkret heißt dies, ein Stack-Produkt und ein Fertigungsverfahren zu haben, das in einem überschaubaren Zeitraum von 18 bis 24 Monaten nach Projektabschluss auf einen industriellen Maßstab übertragen werden kann. Das passt gut mit den Plänen der deutschen Autobauer zusammen, die ab den Jahren 2023 und 2024 ansteigende Stückzahlen an BZ-Fahrzeugen angekündigt haben.

Hinsichtlich der im Projekt eingesetzten Ressourcen und des Gesamtbudgets schätzt Martin, dass rund zwei Drittel auf die Produktentwicklung inklusive des Themas Skalierung, und ein Drittel auf die Fertigungsentwicklung entfallen. „Wir haben versucht alle wichtigen Aspekte, die bei der Stack-Entwicklung eine Rolle spielen, in einem Projekt zusammenzuführen“, betont Martin. Dabei stellt er klar: „Es handelt sich nicht um eine Forschungsentwicklung, sondern um eine Produkt- und Fertigungsentwicklung.“

Von besonderer Bedeutung ist die enge Kooperation unter den Projektpartnern. Aus den Vorläuferprojekten hat man gelernt, dass man eng an den Schnittstellen zusammenarbeiten muss. „Es ist extrem wichtig, dass die Experten für die wichtigen Hauptkomponenten gemeinsam an der Entwicklung arbeiten“, erläutert der Koordinator. Im Projekt gibt es jeweils einen verantwortlichen zentralen Ansprechpartner für jede Hauptkomponente – die Membran-Elektrodeneinheit (MEA), die Bipolarplatte, die Gasdiffussionslage (GDL) und die Katalysatoren. Daneben fungieren noch Verantwortliche für das Qualitätsmanagement, die Spezifikation und die Fertigungsentwicklung.

Die ersten Kooperationsergebnisse können sich sehen lassen. So haben sich die OEMs auf eine Spezifikation und eine grundlegende Systembeschreibung mit den entsprechenden Schnittstellen geeinigt. „Das ist in dieser Form eine neue und einmalige Übereinkunft“, betont Martin – und andererseits Ergebnis einer mehrjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit. Ende März 2020 wird die erste Entwicklungsphase – Evolution 1 – der Stack-Entwicklung abgeschlossen und der erreichte Stand bewertet.

Bis 2021 sollen in zwei Entwicklungsphasen rund 60 Stacks aufgebaut werden. Diese werden dann sowohl bei den beteiligten OEMs, beim ZSW und anderen Projektpartnern getestet. Je nach Testzielstellung werden unterschiedliche Stack-Größen eingesetzt. Die spezifizierte Referenzleistung des Stacks liegt bei 85 kW. „Uns ist es extrem wichtig, dass wir in die zweite Entwicklungsphase mit einem robusten Designansatz hineingehen“, betont Martin, „um am Ende des Projektes einen ausreichenden Reifegrad zu erreichen“.

Herausforderung Dauerhaltbarkeit

Bis zur Serienreife sind durchaus noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Dazu zählt u.a. die Dauerhaltbarkeit. Hier sei man noch nicht ganz am Ziel, so Martin. Zulässig ist eine Degradation von 10% über die angenommene Gesamtlebensdauer eines BZ-Fahrzeugs von 6000 Betriebsstunden. Von der Degradation ist im Kern die MEA betroffen. Einfluss darauf haben aber auch andere Komponenten und die Betriebsweise. Bei Letzterer wirken sich vor allem sogenannte Stressoren aus, wie Temperatur, Druck und Feuchtigkeit im dynamischen Lastwechsel. Diese Parameter lassen sich laut Martin sehr gut beeinflussen, jedoch ist die Entwicklung optimierter Parameter zeitaufwändig.

Ein wichtiger Stellhebel ist ebenfalls die gute Abstimmung der Hauptkomponenten. Martin betont: „Nur in der Kombination kommt man hier zu den gewünschten Ergebnissen.“ Eine wichtige Rolle für die Auswahl spielen die Modellanalyse sowie Validierungstests der Hauptkomponenten. „Es gibt sehr viele Wechselwirkungen, die zu berücksichtigen sind, um eine optimale Auswahl vorzunehmen“, berichtet der Projektkoordinator. Beim Thema Platinreduktion ist man auf dem richtigen Weg. Gegenüber dem Vorgängermodell konnte vor allem die Platinbeladung der Anode verringert werden. Wichtig ist, dass man laut aktueller Berechnungen mit der jetzigen Beladung und der erreichten Leistungsdichte die automobilen Zielkosten erreichen kann – und dies bereits bei einem Produktionsvolumen von rund 30000 Stacks, so der Projektkoordinator.

Eine weitere, zu lösende Aufgabe betrifft die deutliche Verkürzung der Zeit für die Stack-Inbetriebnahme. Bei diesem Vorgang werden die elektrochemischen Komponenten des Stacks aktiviert. Hier muss die Zeitdauer von einigen Stunden auf einige Minuten verkürzt werden, damit die Inbetriebnahme mit dem Fertigungsablauf einer Massenfertigung kompatibel wird. Um eine dafür geeignete Prozedur zu entwickeln muss ein enormer Testaufwand betrieben werden. An diesem Beispiel lasse sich sehr schön ablesen, wie eng die Produkt- und Fertigungsentwicklung verflochten sind, betont Martin.

Trotzdem ist der BZ-Experte sicher, dass sich die technologische Entwicklung der BZ-Technik hierzulande auf Augenhöhe mit den entscheidenden Wettbewerbsregionen, wie China, Korea, Japan oder den USA befindet ohne zu übersehen, dass einige Akteure einen Vorsprung in der Industrialisierung haben. Die deutsche Zulieferindustrie gehöre im Material- und Komponentenbereich zu den führenden globalen Technologieanbietern anders als bei Batteriezellen, deren maßgebliche Anbieter in Asien sitzen würden, betont Martin. Ein erfolgreicher Verlauf des Projekts AutoStack Industrie kann deshalb sicherlich entscheidend zu einem erfolgreichen Beschreiten des Weges zur Serienreife der automobilen BZ-Technologie beitragen.