Während Elektro-Antriebe in Pkw inzwischen nennenswerte Marktanteile haben und es auch im Lkw-Sektor technische Fortschritte gibt, blieb der Bereich der Nutzfahrzeuge zwischen 3,5 und 7 Tonnen bislang aus dem Blick. Einer Forschungsgruppe der Universität Kassel ist hier nun in Zusammenarbeit mit dem Mercedes Benz Werk Kassel, einem Standort der Daimler Truck AG, ein großer Fortschritt gelungen: Die Forscher entwickelten ein System, mit dem bewährte elektrische Komponenten aus dem Pkw-Bereich in Nutzfahrzeuge übernommen werden können. Das Forschungsteam präsentierte nun seine Entwicklung.
Die Einführung der Elektromobilität im Nutzfahrzeug-Bereich, etwa bei Kleinbussen oder Lieferfahrzeugen, ist bislang schwierig. Es fehlt an einem Angebot geeigneter Fahrzeuge, insbesondere auch von deutschen Automobilherstellern. Hürden sind die hohen technischen Anforderungen an Nutzfahrzeuge, hohe Entwicklungsaufwendungen und vergleichsweise geringe Stückzahlen.
Elektrische Antriebe aus dem Pkw-Bereich einfach auf die Nutzfahrzeuge zu übertragen ist keine Lösung: Für die gleichzeitige Erfüllung der Momenten- und Drehzahlanforderungen wären hohe Leistungsreserven erforderlich. Das würde Kosten, Volumen und Gewicht treiben und wäre zudem energetisch nachteilig. Im Projekt „Skalierungseffekte durch modulare Antriebsarchitekturen für Nutzfahrzeuge“, kurz: Scale-E-Drive, lösten die beteiligten Forscher das Problem durch ein neu konzipiertes Zweigang-Getriebe und eine neu entwickelte Betriebsstrategie, die sich die hohe Dynamik der E-Maschine und ein intelligentes Temperaturmanagement zunutze macht.
Dadurch können auch leichte und kostengünstige elektrische Antriebe (einschließlich Umrichter) aus dem Pkw-Bereich energieeffizient in Nutzfahrzeugen appliziert werden. Das ermöglicht Skalierungseffekte sowie deutlich gesenkte Entwicklungskosten und -risiken.
Das grundlegende Forschungsziel im Projekt ist es, die hoch variablen und anspruchsvollen fahrdynamischen Anforderungen abzudecken. Dazu entstand zum einen eine hoch dynamische Schaltstrategie, um die Gangwechsel bei dem Mehrganggetriebe effizient und ohne Komforteinbußen umzusetzen, zum zweiten eine prädiktive Fahrstrategie, die aus dem aktuellem Nutzungsverhalten vorrausschauend die energieeffizientesten Fahrstrategien einstellt.
Das Projekt wurde im Rahmen der „Förderrichtlinie Elektromobilität“ mit 1,8 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt.
Bild: Im BMDV-geförderten Projekt Scale-e-Drive arbeitete ein Team um Prof. Dr.-Ing. Mohamed Ayeb (Fahrzeugsysteme u. Grundlagen der Elektrotechnik), Prof. Dr.-Ing. Michael Fister (Fachgebiet Mechatronik mit dem Schwerpunkt Fahrzeuge) und mit der Daimler Truck AG, Werk Kassel, zusammen. Im Bild (von links): Prof. Ayeb, Prof. Fister, Henning Rimbach (Daimler Truck), Christoph Mädler (Student an der Universität Kassel)), Prof. Ute Clement (Präsidentin der Universität Kassel).
Quelle: Universität Kassel